Kontrolle & Kontrollierbarkeit

Einfach alles im Griff?

 

Eine paradoxe Situation in unserer modernen Gesellschaft: Krankheit kann sowohl der Preis für Lebensumstände wie auch ein Hindernis für erfolgreichen sozialen Aufstieg sein. Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen stehen damit auch für ein gesellschaftliches Dilemma hier in Deutschland. Kontrolle verlieren kann „alles verloren“ bedeuten, keiner wird es gerne zugeben. Sorgt eine Therapie für tabula rasa, gibt es einen Neustart.

 Drogenabhängige aller Art leiden unter der Gemeinsamkeit, dem vergangenen TUN und dem Bewerten  dieses TUNS in einer Sichtweise anderen völlig ausgeliefert zu sein. Die Bewertung des jeweiligen Drogenkonsums wird vordergründig an den sozialen Folgen bemessen. So wird entschieden, ob es sich letztendlich um Gebrauch oder bereits um Drogenmissbrauch handelt.  Es geht also weniger um das Problem, das aus der Droge selbst entsteht, als vielmehr um die menschliche Interaktion. Drogenmissbrauch, und dazu gehört auch die Einnahme diverser Medikamente, wird entschieden zu einer Frage der Kommentierung, d. h. wie Menschen in einem interaktionalen Kontext interagieren, also ihr gegenseitiges Verhalten bewerten.

 Drogengebrauch kann man auf drei Ebenen betrachten: der individuellen Ebene auf der die Bewertung, d. h. die Semantik, eine wichtige Rolle spielt. Auf einer interaktionalen Ebene spielt der objektive Verhaltenskontext die wichtige Rolle (sog. politisches Handeln) und auf einer sozial-ökologischen Ebene werden die jeweiligen sozialen Institutionen einbezogen.

 

Spielt z. B. der Gesundheitsaspekt die ausschlaggebende Rolle, dann wird das Verhalten lediglich auf der individuellen Ebene thematisiert, entsprechend Maßnahmen darauf auch abgestellt. Folge davon ist oftmals, dass der interaktionale Kontext, z. B. Eltern und Kind, verleugnet wird.

 Handlungsspielräume werden so erheblich eingeschränkt. Je umfassender die Drogenproblematik betrachtet werden kann, umso bessere Möglichkeiten der Bewältigung einer Problematik gibt es. Es kommt dann dabei weniger auf die „richtige Behandlungsmethode“ an, als vielmehr auf das aktive Einbeziehen verschiedener Akteure. Die Droge selbst wird dadurch weniger bedeutungsvoll. Sie erklärt eigentlich relativ wenig und entschuldigt oft viel zu viel. Der Drogenkonsument lernt, sein Leben aktiv neu zu organisieren und zu gestalten. Kontrollfragen treten in den Hintergrund, ein neues Selbstverständnis erhält in der Gewichtung deutlich Vorrang.