Suchtpotential
Es ist leider nicht nur eine Frage der subjektiven persönlichen Konstellation, welche Gefahren für eine Suchtentwicklung erschließt, sondern auch ein Problem der gesellschaftlichen Umstände. Nicht selten bedarf es sogar dieser Auseinandersetzung, der persönlichen Disposition versus geeignete Umweltbedingungen, um süchtig bzw. abhängig zu werden. Enorm hohes Suchtpotential entfaltet sich, wenn die Befriedigung der elementaren menschlichen Bedürfnisse in Gefahr gerät. Sorgen und Ängste entstehen, Betroffene geraten unter hohen Stress.
Alle gängigen substanzgebundenen Suchtmittel dienen vom Ansatz der Konsummotivation her betrachtet dem Ziel, derartige Alltagssorgen in Grenzen zu halten bzw. sie erst gar nicht entstehen zu lassen. Der eingeschlagene Lebensstil, aber auch die Zielsetzungen, die jeder sich absteckt, erteilen Auskunft. Substanzielle Suchtmittel sind damit Hilfsmittel, die auch den Genussaspekt des Einzelnen einschließen. Nachfolgendes Zahlenmaterial verdient, hier näher betrachtet zu werden. Lt. Statistik gibt der Bundesbürger jährlich aus:
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für alkoholische Getränke 23 Milliarden Euro,
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für Tabakwaren 19 Milliarden Euro,
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für rezeptfreie Beruhigungs- und Schlafmittel 200 Millionen Euro
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Apothekenumsatz hierzu 380 Millionen Euro,
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für Tranquilizer 360 Millionen Euro,
- also insgesamt ca. 43 Milliarden Euro.
Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird hier nicht gestellt.
In der Bundesrepublik gibt es ca. 40 Mio. Haushalte in der modernen Entwicklung. Kosten für die Befriedigung der Grundbedürfnisse mit den genannten Mitteln kann man mit mtl. 300 bis 500 Euro veranschlagen. Unterstellt man ein regelmäßiges mtl. Einkommen, das dringend benötigt wird, so muss es sich der Höhe nach zwischen 2600 und 3500 Euro bewegen. Dieses ‚Mindesteinkommen‘ erreichen aktuell lediglich nur noch 18% der Haushalte. 30% aller Haushalte verfügen über ein höheres Einkommen. Dieses höhere Einkommen führt letztendlich jedoch nicht zu einer besseren Befriedigung auf der Ebene, um die es geht. Damit können rd. 50% der deutschen Haushalte ihre elementarsten Bedürfnisse durch vorgenannten Kosteneinsatz befriedigen. Die übrigen 50% können dies eigentlich nicht, wenn sie nicht über ihre ökonomischen Verhältnisse leben wollen.
Ein derartiger gesellschaftlicher Zustand ist besorgniserregend und sollte neue politische Zielsetzungen beanspruchen. Schon jetzt ist davon auszugehen, dass durch die geringe Einnahmeseite anderweitig Lösungen der Haushalte umgesetzt werden. Hierzu zählen alle Einsparungen in Vorsorgeinvestitionen, die Begründung von Mehrfachverdiener-Haushalten oder auch erbrechtliche Vorausregulierungen schon zu Lebzeiten z. B. in Wohnsituationen. Langfristig werden keine Ansparziele mehr gesetzt werden.
Die aktuelle Entwicklung zwingt den Menschen zu einem jederzeit optimalen Funktionieren und ist auch darauf ausgerichtet. Um sich optimal entwickeln zu können (elementary skills), bedarf es einer besseren Verteilung innerhalb der Einkommenssituation. Der Mindeststandard in westlichen Industriegesellschaften muss neu überdacht werden.