In modernen Industriegesellschaften steht heute das individuelle Funktionieren stark im Vordergrund. Fragen und Überlegungen zu Gesundheit oder Krankheit sind längst diesem Kriterium untergeordnet. Stress wird uns dann gefährlich, wenn er zu viel wird, also ein Häufigkeitsproblem darstellt, oder aber wenn die Intensität des Stresserlebens aus den Fugen gerät. Überlegungen zu Bewältigungsversuchen sollten idealerweise auf den Einzelfall abgestellt sein.
Stressbewältigung kann problembezogen sein. Dann muss die Person sich direkt mit den Stressbedingungen befassen oder aber die Bewältigung bezieht sich auf die emotionale Seite der verschiedenen Stressquellen. Hier kommt es dann für den Betroffenen darauf an, seine Emotionen kontrollieren zu können und sie vor allem regulieren zu lernen. Die emotionale Seite erschließt auch eine analytische Sichtweise der Dinge, weil insbesondere Abwehrmechanismen eine tragende Rolle spielen können, z. B. Lügen, Bagatellisieren, Verleugnen und der Einsatz der Hilfsmittel Drogen, Alkohol und Medikamente.
Stressbewältigung kann vergangenheitsbezogen sein, die Gegenwart betreffen oder präventiv auf die Zukunft ausgerichtet sein. Der Betroffene selbst kann im Vordergrund stehen, Beziehungen können einbezogen werden oder auch Konzepte für Arbeitgeber entwickelt werden.
Bewältigungsstrategien zielen ab auf Informationsgabe, d. h. die Vermittlung von Einsicht in Zusammenhänge, auf Handlungen und auf intrapsychische
Bewältigung. Das Stressgeschehen wird dabei aufgefasst als eine geschlossene Einheit von physiologischem Empfinden und innerem Zustand, d. h. der inneren Verfassung des Betroffenen. Stressarbeit
erfordert ein holistisches Bild vom Menschen, d. h. Geist und Körper, Gedanken und Gefühle, Überzeugungen und Verhalten sind nicht getrennte, sondern in unmittelbarer Abhängigkeit voneinander
existierende und miteinander korrespondierende Systeme. Nur so kann die mögliche Anpassungsfähigkeit ausgeschöpft werden, damit jeder Betroffene notwendige Änderungen auch umsetzen und leben
kann.
Der US-amerikanische Psychotherapeut Donald Meichenbaum, einer der Begründer der kognitiven Verhaltenstherapie, entwickelte 1985 das Stressimpfungstraining zur Bewältigung von Stresssituationen. Wie bei einer medizinischen Impfung geht es hierbei darum, die Widerstandsfähigkeit einer Person dadurch zu erhöhen, indem man sie mit Stimuli konfrontiert, die stark genug sind, einen Abwehrmechanismus auszulösen. Wichtig dabei ist, dass sich die ausgelöste Reaktion unter der Kontrolle des Betroffenen vollzieht.
Ein sinnvolles Training in diesem Grundverständnis umfasst Unterrichtseinheiten über thematische Gedankengänge und
Zielsetzungen, räumt die Chance ein, Verhalten einzustudieren und soll zum Schluss in der Realität ausprobiert werden. Stressimpfungstraining fördert den Erwerb von Fertigkeiten zur
Problembewältigung und erhält einen besonderen Stellenwert darin, den Betroffenen in eine subjektive Auseinandersetzung hineinzutragen. Ziel von derartigen Maßnahmen ist, dass Betroffene ein
neues Verständnis von sich selbst erschließen und lernen, auf neue Art zu reagieren, um sich so seiner Umwelt neu öffnen zu können. Lukrativ ist dieses Training auch deshalb, weil es jederzeit
unter Berücksichtigung der akuten Situation des Betroffenen integriert werden kann. Voraussetzung ist, dass jemand weiß, dass es auf das Mitmachen ankommt.