Das Thema Essen ist in der deutschen Gesellschaft wie überall in den westlichen Industrienationen (Überflussgesellschaft) ein Fass ohne Boden. In Buchhandlungen versinkt man in einer riesigen Auswahl an interessanter Literatur. In allen freiheitlich orientierten Gesellschaften heißt es gerne, dass jeder selbst bestimmt, was er wann und wie viel wovon isst oder essen darf. Ob dieses ausgewählte Essen auch ernährungsphysiologisch Sinn macht, legt der Konsument rational selbst fest, ebenso wie die Frage, ob z. B. moderne Umweltkriterien eine Rolle spielen sollen. In angesagten Lokalen lässt sich der gerne sehen, der über ein gut gefülltes Portemonnaie verfügt und auch bei dieser Gelegenheit seiner Persönlichkeit Ausdruck verleihen will. Heute sind wir weit entfernt von der Aussage des alten griechischen Philosophen Diogenes. Dieser sagte: „Ein reicher Mann isst, wenn er hungrig ist, ein armer Mann ist, wenn er kann.“
Essen ist mehr als sich „bloß ernähren“. Beide Begriffe haben deswegen etwas miteinander zu tun, weil sie sich mit Nahrungsaufnahme beschäftigen. Der Ratsuchende, der einen Bedarf an Klärung über die physiologischen Auswirkungen von Nahrung und Nahrungsmitteln hat, sollte sich bei den Experten der Ernährungsberatung (Ökotrophologen) Informationen einholen.
Essen in seiner üblichen Begriffsbestimmung berücksichtigt die gesamte Erlebnissphäre der Nahrungsaufnahme und des Konsumverhaltens, d. h. die soziale Eingebundenheit, Überlegungen zur Wahrnehmung und den Sinnesempfindungen, Bedürfnisse und Lernkriterien wie z. B. das Ambiente, aber selbstverständlich auch Problemmechanismen wie Suchtaspekte und Kriterien missbräuchlicher und zweckentfremdeter Verwendung. Von Bedeutung ist auch der Stellenwert des Essens innerhalb der Gesundheitspsychologie und damit auch automatisch Überlegungen einer sinnvollen Gesundheitsvorsorge.
Essen berührt aber auch übergreifende Inhalte als Teil einer sog. Bioethik und beschäftigt sich hier mit Aspekten zum
Körperkult, Schönheitsüberlegungen und allgemeinen Fragen der Ästhetik. Das Thema Essen hat für viele einen hohen Stellenwert im Hinblick auf die innere Zufriedenheit, das Selbstwertgefühl und
die persönliche Leistungsfähigkeit. Psychologisch ist dies auch deswegen interessant, weil es Suchtgefahren in sich selbst birgt und als Vorläufer für tiefgreifende Abhängigkeit agieren
kann.
Die Geschmacksempfindungen sind schon bei der Geburt gut entwickelt. Neugeborene reagieren auf süße und salzige Stimuli mit einem Saugreflex. Auf saure und bittere Reize reagieren sie mit Vermeidungsverhalten. Der Geschmackssinn ist also vor der Geburt vorhanden. Neugeborene können ebenfalls Gerüche unterscheiden und entsprechend reagieren.
Menschen treffen sich hier auf einer tieferen Ebene mit der Bedürfniswelt der Tiere. Beide streben über die Nahrungsaufnahme nach Lebenserhalt und/oder nach Ausgleich von Mängeln. Auch hier spielt der Geschmack eine ganz entscheidende Rolle. Auf der körperlichen Ebene spielt sich auch eine Begrenzung der Gesamtmenge der Nahrungszufuhr ab. Der Aspekt der Ausgewogenheit der Inhaltsstoffe wirkt hier hinein, aber: über Lern- und Konditionierungsvorgänge bauen wir Gewohnheiten auf und tendieren dazu, recht schnell bestimmte Neigungen zu praktizieren. Der zivilisierte Mensch bildet Essgewohnheiten und trickst sich dabei oft selbst aus. Die Intelligenz des Körpers wird untergraben.
Bei Mangel- bzw. Unterernährung schaltet der Körper ein Notprogramm ein. Zuerst werden alle wichtigen metabolischen Grundfunktionen versorgt. Dadurch werden die wichtigen Stoffwechselvorgänge aufrechterhalten. Dieser Automatismus geht zulasten physischer Aktivitäten. Dies kann sich nachteilig auf eine ganze Reihe von Verhaltensweisen auswirken. Schlecht Genährte können apathisch wirken, leiden unter Reizbarkeit, fallen durch überstarke Nervosität auf und zeigen weitere auffällige Merkmale auf einer Verhaltensebene.
Auch heute noch wird dem gemeinsamen Essen der Familie größte Bedeutung beigemessen, hat man doch sonst wenig Zeit. Eine Tradition, die für viele junge Menschen durchaus Machtpotential entfalten kann, wird doch das Verhalten als konform betrachtet. Mitmachen hier heißt auch der Gruppe beipflichten, sich gar mit ihr identifizieren. Schwer ist, die Norm durchzusetzen, dass eine gewisse Toleranz auch Norm sein kann. Individualität bedeutet ja auch, vom Standard abzuweichen.
Vor allem ist gezügeltes Essen keine Essstörung. In den modernen Überflussgesellschaften sind die so kontrolliert Essenden wohl mittlerweile in der Überzahl. Gezügeltes Essen ist nicht nur ein Tatbestand, der mit dem Körpergewicht zu tun hat, mit den Lebensumständen, dem persönlichen Stressfaktor, sondern vor allem auch mit der persönlichen Lebensauffassung.
Lerntheoretiker definieren Hunger über den Zeitablauf. Die Zeit zwischen der Nahrungsaufnahme zum Zeitpunkt A und der folgenden zum Zeitpunkt B stellt die Hungerperiode dar.
Eine andere Definition orientiert sich an der Blutzusammensetzung. Maßstab ist der Blutzuckergehalt oder auch der Anteil an freien Fettsäuren. Hunger ist in jedem Fall ein Begriff für die Wahrnehmung von Körpergefühl, dass nach Nahrung verlangt und vollständig durch Essen befriedigt werden will. Medizinisch künstliche Ernährung lässt in der Regel gar kein Hungergefühl entstehen.
... sind Vitamine, Vitaminoide, Antioxidantien, Mineralstoffe und Spurenelemente, essentielle Fettsäuren und Aminosäuren.
Erbliche Einflüsse spielen nach bisherigem Erkenntnisstand für die Futterverwertung eine wichtige Rolle und für den sog. Grundumsatz.
Beide Instrumente haben einen hohen Stellenwert in der Betrachtung und Bewertung von Menschen allgemein. Warum sollten diese psychologischen Kriterien, wenn es um das Thema Essen geht, anderes behandelt werden? „Anders sein“ bedeutet hier auch schnell Außenseiter sein. Diesen Stempel bekommt manch einer aufgedrückt, der sich den üblichen Gepflogenheiten um das Thema Essen nicht anschließen kann.
Liest man wissenschaftliche Literatur zum Thema „gezügeltes Essen“ begegnet einem eine auffällig negativ gefärbte Darstellung der Sachverhalte. Es entsteht der Eindruck, als gäbe es geradezu eine Verpflichtung, viel zu essen bzw. sich über das Essen auszutoben. Nicht selten ist essen ein Leistungswettbewerb. Dem gezügelten Esser wird unterstellt jemand zu sein, der sich permanent nicht satt isst, der sich durch Hunger quält und der deshalb mit einem Bein bereits in der Krankheit steht.
Kontrolle über die Essensmenge ist praktizierte Selbstdisziplin. Meiner Auffassung nach ist der disziplinierte Esser auch der genussvollere Konsument. Das Essen auch genießen zu können, hat nur indirekt etwas mit der aufgenommenen Menge zu tun. Derjenige der so isst, konzentriert sich auf den Augenblick des Essvorgangs. Das Essen wird zum Erlebnis, an dem unsere Sinne maßgeblichen Anteil haben. Auch das Ambiente spielt eine wichtige Rolle, ebenso wie die Tatsache, beim Essen nicht gestört werden zu wollen. Wer sein Essen genießen will, muss beim Vorgang als ganze Person sein. Wer so gelernt hat zu essen, wird auch schneller satt. Nicht nur das, jemand setzt sich auch kritischer mit dem Vorgang des Essens auseinander. Die Einstellung zur Qualität rückt in den Vordergrund. Die Chance, dass über das Essen Zufriedenheit entsteht, erhält dadurch einen Wert, weil dieser Aspekt nur ein Teil in einem übergeordneten Ganzen sein kann. Der disziplinierte Esser isst aus Eigennutz. Dazu gehört auch, dass es ihm Spaß macht, sein Gewicht im Griff zu behalten. Das scheint oftmals auch ein wichtiger Grund dafür zu sein, dass Personen des Umfeldes ihn verbal attackieren. Es gibt keine gesellschaftliche Verpflichtung, sich ins Übergewicht hinein zu essen. Sehr großzügig betrachtet die Medizin seit Jahren die stetige Gewichtszunahme vieler Menschen in der Gesellschaft. Die meisten von ihnen werden übergewichtig, weil sie permanent zu viel und meist auch falsch essen.
Wer gerne diszipliniert isst, muss sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegsetzen können. Davon gibt es eine ganze Reihe:
Ein klares Ja: das Jugendalter ist die Phase der Pubertät, sowohl auf der körperlichen wie auch auf der psychischen Ebene passieren Veränderungen, die deshalb eine besondere Bedeutung haben, weil die weitere Entwicklung darauf basiert. Dabei kommt es aber nicht nur auf ein positives Ergebnis an, sondern ganz entschieden auch auf die Art und Weise, wie dieses zustande gekommen ist. Fest steht, die Pubertät ist keinesfalls eine Periode der Krise. Das heranwachsende Kind nähert sich deutlich der Welt der Erwachsenen an. Mehr und mehr wird der persönliche Lebensstil zum Maßstab der Person. All dies spürt der Jugendliche aus sich selbst heraus und es bedarf der Forderungen der Erwachsenen weitaus weniger als angenommen. Nachteilig wird sich auswirken, wenn dem Jugendlichen permanent Beweise dafür abverlangt werden, dass er oder sie auf dem „richtigen Weg“ ist. Solche Ansprüche provozieren eine Grundhaltung heraus, dass unbedingt Standpunkte anzulegen sind, die vor allem auf Dauer ausgerichtet sein müssen. Erlaubt man dem Kind, seiner Sicht der Dinge eine Form zu geben, wird automatisch das herausgearbeitet, was augenblicklich auch die größte Bedeutung hat, z. B. ein Stückweit gewonnene Freiheit. Diese bringt mit sich, dass der Heranwachsende in Opposition gegen Einschränkungen treten wird. Konflikte mit dem Umfeld entstehen dann regelmäßig. Ungern geben Eltern ihr Kontrollbedürfnis auf. Zu vielen Jugendlichen wird so das typische Bild vom „jugendlichen Negativismus“ förmlich aufgezwungen.
Süchtigem und abweichendem Verhalten wird sehr oft in diesem Lebensabschnitt das Fundament bereitet. Kommen Probleme und Konflikte der frühen Kindheit noch hinzu, entsteht ein Spannungszustand, dem eine Normalität einer Entwicklung nicht mehr gerecht werden kann.
Für viele Jungen und Mädchen wird das äußere Erscheinungsbild bedeutsam. Der moderne Zeitgeist ist u. a. dadurch geprägt, dass der persönlichen Attraktivität deswegen ein hoher Stellenwert beizumessen ist, weil diese dem Einzelnen ganz erhebliche Vorteile einbringen kann. Aber auch Charakterzüge sind innerhalb der Individualpsychologie nach Alfred Adler eine äußere Erscheinungsform des Menschen, und zwar in seiner sog. Bewegungslinie. Damit ist die Haltung des Einzelnen zur Umwelt, zu den Mitmenschen, zur Gemeinschaft, zu allem was seiner Persönlichkeit Ausdruck verleiht, gemeint. Charakterzüge sind nicht angeboren. Sie werden i. d. R. sehr früh gelernt und basieren auf wichtigen frühen Lebenserfahrungen.
Jede Entwicklung ist bekanntermaßen einzigartig. Sie vollzieht sich innerhalb von Wechselwirkungen der Seele auf Körper und Geist. Kaum denkbar, dass in komplexen Gesellschaftsgefügen eine Entwicklung spannungsfrei verläuft. Lebensstil und die entsprechende emotionale Disposition üben einen fortschreitenden Einfluss auch auf die körperliche Entwicklung aus. Süchtiges Verhalten drückt eine Disharmonie und oft eine Ambivalenz aus, also Zustände, die eben allgemein das Jugendalter kennzeichnen.